Mittwoch, 2. September 2015

徐慧嵐 oder meine erste Woche

Hallo an alle :)

Ich habe das Gefühl in meiner ersten Woche hier schon so viel erlebt zu haben, wie zu Hause in drei Monaten. Ich glaube, dass liegt daran, dass selbst alltägliche Dinge in Taiwan so anders sind, dass sie sich aufregend anfühlen. Zum Beispiel das Essen, die meiste Zeit habe ich keine Ahnung was ich gerade esse und ich habe inzwischen aufgegeben nach dem Namen zu fragen, da ich meistens weder das chinesische noch das englische Wort für die taiwanesischen Speisen kenne (das deutsche vermutlich genauso wenig ;)) Auch die Art des Essen ist sehr anders. Statt eines Hauptgerichts gibt es viele kleine Gerichte und jeder nimmt sich davon. Am Anfang war es ein bisschen schwer für mich mein Essen auf Stäbchen von einer Schale zur anderen zu transportieren ohne auf halben Weg die Hälfte auf dem Tischtuch verteilt zu haben, aber mittlerweile gelingt mir das schon ganz gut ^^ Außerdem ist es zumindest in meiner Familie so, dass die Mahlzeiten nicht so geregelt ablaufen wie ich das gewohnt bin (was aber nichts schlechtes ist!). Man kann sich hinsetzen wenn man hungrig ist oder ein bisschen später, die Mahlzeit unterbrechen oder zwischendurch zum Kühlschrank gehen, um sich etwas süßes zu holen und dann weiter Bambus-Fischsuppe zu essen. Dass das Essen dabei kalt wird scheint niemanden zu stören und geteilt wird sowieso immer, egal ob man zu Hause oder in einem Restaurant ist. Hier ein paar Bilder:
So sieht das Mittagessen und das Abendessen aus
Und so in einem "westlichen" Restaurant - das ist quasi das Äquivalent zu unseren Chinarestaurants
Auf persönlichen Wunsch hier noch ein Bild meines Frühstücks


An meinem zweiten Tag hier habe ich übrigens auch meinen chinesischen Namen bekommen. 徐慧嵐 (Xu Hui Lan), 慧 bedeutet Weisheit, 嵐 Nebel und 徐 ist der Nachname meiner Gastfamilie. Trotz meines nagelneuen Namens werde ich aber bis jetzt von allen nur Marlies genannt (meine Gastschwester hat es sogar geschafft meinen Nachnamen auszusprechen^^).

Ein Highlight der letzten Tage war auf jeden Fall das Treffen mit Viola. Für alle die es nicht wissen, Viola ist die Austauschschülerin, die letztes Jahr sechs Monate bei meiner Familie gewohnt hat. Es war so schön sie in Taiwan wiederzusehen, genauso wie das Gefühl schon jemanden zu kennen in dem fremden Land. Außerdem hat sie mich ihrer Freundin vorgestellt und nachdem Abendessen sind wir gemeinsam in einen großen Buchladen gegangen. Ich habe zum ersten Mal so viele chinesische Bücher gesehen und musste natürlich Fotos machen (sehr zur Belustigung von Viola und ihrer Freundin). 
Der chinesische Harry Potter *-*
Später konnte ich noch Violas ganze Familie kennenlernen und als sie mich nach Hause gefahren haben, hat sie mein Gastvater noch kurz in die Wohnung eingeladen. 
Im Allgemeinen sind die Menschen hier sehr gastfreundlich und hilfsbereit. Es hat schon ausgereicht in der UBahn-Station ein wenig verwirrt dreinzuschauen und schon ist ein Mitarbeiter auf mich zugekommen, hat mich gefragt wohin ich muss und mich dann den ganzen Weg bis zur richtigen Linie begleitet. Vielleicht ist das aber auch so etwas wie ein Ausländerbonus - ich habe schon das Gefühl, hier ziemlich aufzufallen, was manchmal ein wenig unangenehm ist. Nach meiner Vorstellung im Rotary-Club am Donnerstag zu der ich mein Dirndel angezogen hatte, ist mein Gastvater noch schnell in eine Werkstatt gefahren, um einen Ölwechsel vornehmen zu lassen. Also habe ich mein Dirndel gerafft, damit es nicht über den dreckigen Boden schleift und mich ins Wartezimmer gesetzt. Dort hat ein junger Mann eine Zeitung gelesen und als er aufgeblickt und mich gesehen hat - so österreichisch aussehend wie eigentlich nur möglich - hat er absolut entgeistert gewirkt. Ich bin mir dabei ein wenig komisch vorgekommen, im Nachhinein betrachtet finde ich es aber ziemlich lustig :)
Vickie probiert begeistert mein Dirndel an^^

Sehr taiwanesisch ist auch die Lust am Fotografieren. Mir ist das schon vor meiner Abreise aufgefallen, als ich gesehen habe, was meine Gastfamilie so alles auf Facebook postet, doch seit ich hier bin, scheint mir an jeder Ecke der berühmt-berüchtigte Selfie-Stick zu begegnen. Am Dienstag hat mich meine Gastschwester gefragt, ob ich mit ihren Freunden in eine Pixels-Ausstellung gehen wolle, ich habe natürlich ja gesagt, im Glauben ein Museum über moderne Filmegeschichte (oder sowas in der Art ;)) zu besuchen. Es hat sich aber herausgestellt, dass die Austellung nur aus einer handvoll lebensgroßer Trickfilmfiguren aus Filmen wie "Monster AG" oder "Toy Story" besteht um die sich ein Haufen Menschen drängen, um Fotos zu machen. Nachdem ich meine anfängliche Verwirrung und die Tatsache, dass ich immer jemanden im Weg gestanden habe, überwunden hatte, habe ich mich aber schnell angepasst und es hat viel Spaß gemacht. 

Ein schöner Abschluss der Woche, was die zweitägige Orientation mit den anderen Austauschschülerin in Yilan. Stellt euch 63 Jugendliche aus der ganzen Welt, die Türme aus Marshmallows und Spaghetti bauen, "Capture the Flag" spielen, im Regen grillen und chinesische Schriftzeichen aus Behältern mit Mehl fischen, was natürlich in eine gnadenlose Mehlschlacht ausartet und schon wisst ihr, wie sie eine Orientation abläuft. Und äh, Unterricht hatten wir auch, aber das war ohnehin eher nebensächlich ;)
Zàijiàn ihr alle (ich hab übrigens zu meiner Enttäuschung herausgefunden, dass Taiwanesen gar nicht zàijiàn sagen, sondern schlicht "Bye bye") - also bye bye!