Donnerstag, 27. August 2015

在臺灣 oder Ankunft in Taiwan

Nǐhǎo an alle!

Die Klimaanlage summt über mir während ich hier sitze und meinen ersten Blogeintrag aus Taiwan verfasse, aus dem Wohnzimmer dringt chinesisches Fernsehen an mein Ohr  und es riecht ein wenig nach Pfefferminz, wegen des Moskitoschutzmittels, das ich aufgetragen habe.
Schon fast eine Woche ist es jetzt her seit ich in den Flieger gestiegen und mich ins mehr als 9000 Kilometer entfernte Taipei aufgemacht habe. Was ich bisher erlebt habe und die Eindrücke, die ich gesammelt habe sind so zahlreich, dass es mir schwerfallen wird sie alle hier festzuhalten und mit euch zu Teilen. Aber ich werde versuchen am Anfang zu beginnen.
Am Ende eines 12-stündigen Flugs, als gleichzeitig meine Müdigkeit und meine Nervosität ihren Zenit erreicht haben war an Schlaf nicht mehr zu denken gewesen. Ich bin froh am Fenster gesessen zu sein, denn sonst wäre mir wohl der erste Blick aus dem Flugzeug auf mein Gastland entgangen. Es heißt, als die Portugiesen das erste Mal mit dem Schiff auf Taiwan landeten, waren sie überwältigt von der Schönheit und tauften die Insel deshalb "Ilha Formosa" - die schöne Insel. Nachdem Anblick von Taiwan, das mit seinen nebelverhangenen Bergen im Licht der aufgehenden Sonne am Horizont auftaucht, kann ich diesen Beinamen nun noch besser nachvollziehen, als zuvor. Und als das Flugzeug endlich gelandet war, konnte ich mit den anderen Austauschschülern jubeln - wir waren endlich in Taiwan!
Nachdem wir die Immigration Card ausgefüllt und unsere Koffer geholt hatte kam dann auch gleich der nächste große Moment: Das erste Zusammentreffen mit unseren Gastfamilien. Ich wurde von allen dreien empfangen mit einem großen Plakat auf dem mein Name stand und "Welcome in Taiwan!" - ich glaube, mehr willkommen kann man sich gar nicht fühlen :). Alle haben sich vorgestellt, mir wurden gleich drei verschiedene Visitenkarten gereicht und ich hatte meine eigenen natürlich im Koffer gelassen; dann bin ich auch schon zu Cecilia, meiner ersten Gastmutter ins Auto gestiegen und wir sind zu ihrem Haus gefahren.

Obwohl ich natürlich über das Klima in Taiwan gelesen hatte, hat mich die schwüle Hitze doch ein wenig unerwartet getroffen. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man sich in einem tropischen Garten befinden, nur ist die Hitze von einer Art, die auf die Lunge zu drücken scheint. Das Auto war allerdings klimatisiert und der kalte Wind der ständig auf meine Stirn geblasen hat, zusammen mit meiner Müdigkeit und all den neuen Eindrücken, die auf mich eingeströmt sind, haben dafür gesorgt, dass mir leicht schwindelig geworden ist.
Ich war überwältigt von Taipei, der Stadt, in der ich von jetzt an wohnen würde - sie war soviel grüner als ich gedacht hatte! Umgeben von dich bewaldeten Bergen ragen Hochhäuser in den Himmel, manche davon ein wenig heruntergekommen, alle aber bestimmt nicht älter als fünfzig Jahre und chinesische Schriftzeichen, die ich zuvor nur von den Seiten meiner Bücher gekannt habe, drohen mich nun an jeder Ecke zu erschlagen, sie sind bunt, manchmal grell, verlieren aber nie ihre Schönheit und den Charm, der in ihrer Jahrtausenden alten Geschichte begründet liegt. Es war eine gute Art des Überwältigt-Seins.
Meine Gastmutter hat sich hundert mal für Dinge entschuldigt, die mir nicht einmal aufgefallen sind und schon nach der fünfzig minütigen Fahrt hatte ich sie gern. Zu Hause habe ich dann erstmal Xiao Bu Dian kennengelernt, den Hund der Familie (sein englischer Name ist übrigens passenderweise "Tiny"). Im Laufe des Tages, der von einem kurzen Nickerchen auf meiner Bambusmatratze (die erstaunlicherweise sehr bequem ist), habe ich dann die anderen Familienmitglieder kennengelernt. Vickie ist 19 Jahre alt und studiert bereits, Graze, 17, hat diese Jahr den wichtigsten Test ihres Lebens, der entscheidet in welche Universität sie gehen kann, Joshua, 13 und zweifellos das Lieblingsherrchen von Xiao Bu Dian, sowie Gastvater Vincent, der genauso wie meine Gastmutter als Zahnarzt arbeitet. Sie wohnen in einem Haus mit sechs Stockwerken, was aber nicht so groß ist wie es klingt, da in jedem Stockwerk nur zwei Zimmer sind. Es ist also ein hohes schmales Gebäude mit ganz vielen hölzernen Treppenstufen und PlastikPlastikkronleuchtern und Plakaten einer alten Kunstausstellung „Monet bis Picasso“.  Mein Lieblingsstück ist aber der Bilderrahmen mit den zwei chinesischen Schriftzeichen das über dem Schreibtisch in meinem Zimmer hängt. Nach einem Spaziergang durch den nahen Dahu-Park,  in dem weiße Vögel auf langen schwarzen Beinchen herumstaksen und einem nächtlichen mit Xiao Bu Dian, endete einer der anstrengendsten und schönsten Tage meines Lebens auf der Bambusmatratze, die ich schon von meinem Schläfchen am Vormittag liebgewonnen hatte.

Der wunderschoene Dahu-Park:

Hier noch ein paar Bilder von meiner Gastfamilie:
Meine Gastschwester Vickie

Mein Gastvater
Gastmutter mit selbstgemachten Palatschinken ;)
Joshua und Grace

Dienstag, 11. August 2015

十日 oder der Countdown hat begonnen

"It's the final countdown ..da daaa daa". Wer von euch hat jetzt widerstehen können diese Lied innerlich mitzusummen? In all der Aufregung der letzten Tage, in der Hektik der Vorbereitungen, von einem Abschied zum nächsten hetzend, hätte ich ihn fast verschlafen, den Countdown, den Beginn dieser letzen zehn Tage bevor ich am 21. August in Taipei aus dem Flieger steigen werde.
Schon als ich mich damals, vor über einem Jahr dazu entschlossen habe, ein Auslandsjahr zu machen, habe ich gewusst, dass ich nicht davon gehen würde können ohne noch einige Male zurück zu schauen. Das mir der Abschied nicht leicht fallen würde, davon war ich überzeugt gewesen.Und jetzt? Jetzt, da nur noch so überschaubare zehn Tage zwischen mir und meiner Abreise liegen, scheinen sich eben diese zehn Tage aufzublähen, zu einer Masse an Zeit, so groß, dass es unvorstellbar erscheint, sie könnte je vergehen. Ich weiß nicht, ob es Vorfreude oder Verleugnung ist, die diese Illusion bewirken, was ich weiß ist, dass ich mich nicht viel anders fühle, als vor zehn Monate.
Doch langsam häufen sich die Momente der Klarheit, wenn man das so nennen kann. Momente, in denen mir die Ausmaße eines ganzen Jahres im Vergleich zu den verbliebenen zehn Tagen in meiner Heimat tatsächlich vollständig bewusst wird. Das Gefühl, von dem diese Momente begleitet werden, ist ein .. ungeheuerliches, ja, ich glaube, das ist das richtige Wort.
Vermischt mit der immer noch ungebrochenen Vorfreude auf dieses Jahr, mein Jahr, ergibt das jene merkwürdige Stimmung in der ich mich gerade befinde und die zu diesem Text geführt hat.

Ich wünsch euch allen einen ganz schönen Abend!

Zàijiàn,
Marlies